Noé Inui spielt alle Sonaten für Violine solo von Eugène Ysaÿe und erstmals das „Étude-Poème“ g-Moll
Der in Düsseldorf lebende Violinist Noé Inui stellt seinen berühmten belgischen Landsmann Eugène Ysaÿe ins Zentrum seiner neuesten Studioproduktion: Neben sämtlichen „Sechs Sonaten für Violine solo“ op. 27 findet sich auf der CD auch die Weltersteinspielung der „Étude-Poème“ g-Moll – und das alles musiziert auf einem historischen Bogen aus Ysaÿes Besitz.
Eugène Ysaÿe und Noé Inui – die Verbindung zwischen diesen beiden Violinkünstlern hat etwas geradezu Magisches: Beide wurden an einem 16. Juli in Belgien geboren, ersterer 1858 und letzterer 1985. „Die Inversion der Zahlen 58−85 im Abstand von gut hundert Jahren lässt mich fast an eine schicksalhafte Verbindung zwischen Ysaÿe und mir glauben“, verrät der 34 Jahre junge Geiger.
Auch sein geigerisches Rüstzeug hat der seit 2006 in Düsseldorf lebende musikalische Kosmopolit – seine Mutter Griechin, der Vater Japaner – in der unmittelbaren Tradition des großen Landsmanns und Hochschullehrers erhalten: „In Brüssel geboren und mit der instrumentalen Technik, wie ich sie in der Nachfolge von Ysaÿe (nacheinander bei Jacques Dupriez und Carlo Van Neste) erlernt habe, scheint dieses Band eine immer größere symbolische Bedeutung für mich zu bekommen, je mehr ich in der Welt herumkomme und meine Musik mit anderen teile.“
Eugène Ysaÿe (1858-1931) war eine Ausnahmeerscheinung in der zunehmend disparater werdenden Musikwelt um jene Jahrhundertwende. Zunächst umjubelt als neuer Star im ausklingenden Virtuosenzeitalter der „Teufelsgeiger“ (u.a. mit seinem zeitweiligen Klavierpartner Ferruccio Busoni), saß ‚Eugène le Magnifique‘, wie ihn Mathieu Crickboom nannte, auch am Konzertmeister-Pult der Bilseschen Kapelle (den späteren Berliner Philharmonikern). Später verlegt sich der „Zar der Violine“ (Nathan Milstein über Ysaÿe) dann auf das Dirigieren und die Komposition. Seine „Sechs Sonaten für Violine solo“ op. 27 entstanden 1923/24 und zählen heute zum Kernkanon violinistischer Weltliteratur.
„Diese Solo-Sonaten haben mich in meiner musikalischen Ausbildung begleitet, seit ich vierzehn Jahre alt war. Großartig in ihrem vielseitigen Spektrum hat uns Ysaÿe hier einen Schatz von unermesslichem Wert hinterlassen – allerdings häufig unterschätzt, da oft als eine Art technisches Barometer in den großen internationalen Wettbewerben benutzt.“
Ergänzt wird das CD-Programm durch die Weltersteinspielung der „Étude-Poème“ g-Moll. Ysaÿe brachte sie sowie drei Schwesterwerke im Sommer 1900 zu Notenpapier – faszinierende Dokumente einer Scharnierzeit, in der auch in den Künsten vieles neu gedacht und bislang Etabliertes infrage gestellt wurde. Zu seinen „Études-Poèmes“ sinnierte der Komponist denn auch selbst: „Nicht der Takt erfüllt die Musik mit Leben. Leben, das ist der Rhythmus, und der Rhythmus ist die Negation des geradlinigen Taktes.“
Noé Inui erfüllt mit dieser CD-Novität die Vorgaben seines großen Seelenverwandten in vollem Umfang – und setzt ihm ein frisches, unbedingt hörenswertes Denkmal. Wer sich zusätzlich einen Live-Eindruck von Inuis Ysaÿe-Spiel verschaffen möchte, hat dazu Gelegenheit bei den Album-Release-Konzerten in Brüssel (23. Oktober, Srofilia), Düsseldorf (24. Oktober, Galerie Philhara) und Den Haag (2. November, Glazen Zaal).